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      Die Jungen Frauen waren noch nie so schön wie heute

                                             LOBLIED

                                    Christiane Grubitzsch

 

Wenn ich die jungen Frauen zwischen 20 und 30 betrachte, dann mit einer Mischung aus Respekt, Freude, Bewunderung , Stolz (Ich bin selber Mutter so einer jungen Frau) und Neid.

Ich wurde Anfang der 80er Jahre zur Frau. Unser Frauen-Bild, nach dem wir geformt wurden, war eng und wir balancierten auf einem schmalen Grat, denn wir sollten schlank, aber nicht zu schlank, klug, aber nicht zu klug, selbstbewusst, aber nicht vorlaut sein. Es gab ein Idealbild, das nicht wirklich zu definieren und zu erreichen war. Letztendlich ging es immer noch darum, geheiratet zu werden und Männern zu gefallen. Beruf und Bildung sorgten dafür, dass man beim Scheitern einer Ehe nicht vor die Hunde ging. Wir profitierten eindeutig von der Emanzipation, doch ungeachtet dessen begleitete dieses Wort bei  Männern und Frauen (!) ein ironisches und irgendwie unanständiges Augenzwinkern. Und zu Hause hörte ich von meiner Mutter: „Frauen mit Haaren auf den Zähnen werden nicht geheiratet!“ Meine Altersgenossinnen und ich versuchten uns also daran, die eierlegende Wollmilchsau zu sein, natürlich eine schlanke Wollmilchsau…Ich bin dessen müde und doch steckt mir das alte Frauenbild immer noch unter der Haut und bestimmt mich – ungewollt, nicht immer reflektiert, aber immer machtvoll.

Die jungen Frauen scheren sich nicht mehr um diese Ideale! Sie kreieren jetzt ein völlig neues Frausein!

Zuerst einmal beginnt der Schlankheitswahn endlich der Vergangenheit anzugehören. Man sieht alle Körperformen von schmal und zierlich über sehr sportlich-athletisch bis zur Rubensfrau. Die frauliche Form zeigt sich endlich in Vielfalt und in einem ganz neuen Selbstbewusstsein. Widerstand regt sich – natürlich aus den eigenen Reihen, denn die Frauen meiner Generation stoßen sich an Speckrolle, bauchfrei kombiniert. Oder an Leggins und Sport-BH als Ausgeh-Outfit für 60 bis 120Kg-Frauen. Tatsächlich ist nicht alles, was zu sehen ist, schön. Da ist es wieder, das alte Schönheitsideale in meinem Kopf. Wer legt diese Ideale fest und sind die Menschen glücklich und selbstbewusst, die das Ideal kreieren? Und die, die es erfüllen?

Von einer 20-jährigen hörte ich einmal den beeindruckenden Satz:

“Ich habe verstanden, dass ich nicht beides sein kann: schlank und glücklich. Und dann bin ich lieber glücklich.“

Diese Erkenntnis wurde ihr nicht geschenkt, sondern sie wurde Tag für Tag – Stunde für Stunde durchlitten, neu erarbeitet und zu einem Credo gemacht. „Ich kenne das Idealbild, aber es gilt nicht mehr für mich.“ Genau darin liegt die große Stärke. Es beginnt hier und jetzt endlich etwas Neues: Diese Frauen präsentieren voller Stolz ihre Vielfalt und zeigen deren Schönheit!!

Übrigens ist dies beileibe kein Freibrief hinsichtlich der Ernährung. Es wird keinesfalls nun wahllos alles in sich hineingestopft. Vielmehr hat auch hier die Vielfalt Einzug gehalten: Es wird bewusst gegessen, gesund, abwechslungsreich, ideenreich. Während wir Frauen „ü 50“ noch teilweise damit kokettieren, nicht besonders viel Wert auf Häuslichkeit zu legen, bekochen unsere Töchter uns mit orientalischen und Vollwertgerichten, biologisch angebaut und der Umwelt und dem Geschmack zuliebe saisonal und regional. Sie bauen nicht selten  Gemüse im Gärtchen hinterm Haus oder notfalls auf dem Balkon der WG an – wir damals hätten das als spießig belächelt.

Man kann ihnen vorwerfen, mit dem Essen zu viel „Trara“ zu veranstalten. Den Wirbel um vegane und andere - teilweise recht exzentrische -Ernährungsspielarten - finde auch ich etwas überdimensioniert.  Aber: Braucht nicht jede neue Bewegung das „Ein-bisschen-drüber-sein“, um überhaupt wahrgenommen zu werden?

Auf jeden Fall lässt sich nicht bestreiten: Die  Jugend – hier möchte ich die männliche Jungend  nicht ausschließen - setzt sich stark mit ihrer Ernährung auseinander, es werden neue Wege beschritten, Althergebrachtes wird erneuert und verbessert. Die Gesundheit und vor allem die „Heilung und Schonung“ der Erde (mit der die Jungen wertschätzender umgehen als ihre Eltern) stehen hoch im Kurs.

Der nächste Punkt, den ich staunend verfolge, ist der reife Umgang miteinander. Wie junge Frauen sich beschenken, sorgfältig zur Freundin passende Blumen wählen und Glückwunschkarten formulieren, das haut mich immer wieder um! Sie hören einander bei Auseinandersetzungen zu, streiten und vertragen sich, ringen um Kompromisse, respektieren Andersartigkeit. Ängste werden thematisiert, eigene Beweggründe ehrlich analysiert, auch Unbequemes wie zum Beispiel Neid. Oft, wenn ich meiner Tochter zuhöre, bin ich voller Wehmut: Ich habe das Gefühl, die Jungen sind uns  sogar voraus in dem einzigen, was wir Älteren Ihnen voraushaben: in Reife und Gelassenheit.

Und nicht vergessen werden soll hier der Kampf um Nachhaltigkeit und darum, dass die Erde noch ein wenig länger unser menschliches Dasein verträgt: Natürlich wird auch bei H&M und Co gekauft, aber die Herkunft der Kleidung und ihr Material werden durchaus kritisch zur Kenntnis genommen.

Da stellt sich die Frage: Sind diese jungen Frauen wegen oder trotz ihrer Eltern zu so tollen Menschen herangewachsen oder sind sie ganz aus sich selbst heraus so geworden?

Mir ist  bewusst, dass ich die jungen Frauen durch eine dicke rosarote Brille betrachte. Dass manches erst im Ansatz da ist, manches von mir „aufgerundet“ dargestellt wird.

Positive Sicht ist schließlich nicht verboten: Für mich waren die jungen Frauen noch nie so schön wie heute!

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